Wann:
10. Oktober 2022 um 9:30 – 16:00
2022-10-10T09:30:00+02:00
2022-10-10T16:00:00+02:00
Wo:
Fachhochschule Dortmund
Emil-Figge-Straße 44
44227 Dortmund
Deutschland
Preis:
Kostenlos
Kontakt:
Gerrit Weitzel, M.A.
0231 91126294

Verurteilte und (ehemalige) Gefangene als Kriminolog:innen / Convicts and (former) prisoners as criminologists


Fachtag/Workshop


Der Fachtag wird teilweise in deutscher und teilweise in englischer Sprache angeboten. Es wird keine durchgehende Übersetzung aller Inhalte geben können. Sven Burkhardt wird aber im Verlauf des Tages einige zusammenfassende Übersetzungen Englisch-Deutsch und Deutsch-Englisch anbieten. Die Teilnahme nach vorheriger Anmeldung ist wahlweise in Präsenz oder online möglich.

ANMELDUNG ZUM FACHTAG ÜBER DIE HOMEPAGE DER FACHHOCHSCHULE DORTMUND:

Link zur Anmeldeseite: hier klicken

 

 

Programm / Program

09.30 – 10.00 

Christine Graebsch (in English and in presence):

  • Introduction to the conference and the work of the ‘Prison Archive’ at the University of Applied Sciences and Arts in Dortmund
  • Einführung zur Konferenz und in die Arbeit des ‘Strafvollzugsarchivs’ an der Fachhochschule Dortmund

10.00 – 11.00 

Jeffrey Ian Ross (in English and online):

  • Convict Criminology in Northern America and elsewhere followed by Q &A
  • Convict Criminology in Nordamerika und anderswo, anschließend Fragerunde

11.00 – 11.15

Coffee break/Kaffeepause

11.15 – 12.00

#BigDreams Kollektiv (in Deutsch und in Präsenz):

  • #BigDreams Redemption – Wer resozialisiert die Gesellschaft? Anschließend Fragerunde
  • #BigDreams Redemption – Who rehabilitates society? Followed by Q & A

12.00 – 12.45

Shahin Bahengam und Paul Erxleben, zwei Gefangene der JVA Tegel, gemeinsam mit Julian Knop (in Deutsch, teilweise in Präsenz, teilweise online):

  • Projekt „Uni im Vollzug: Gemeinsames Studieren von Gefangenen und Externen
  • Project „University in Prison“: Studying together of prisoners and external students

12.45 – 13.00 

Coffee break/Kaffeepause

13.00 – 13.45

Mohamedou Oud Slahi (in Deutsch und online):

  • Wie ein ehemaliger Guantanamo-Gefangener mit der Erfahrung von Folter umgeht
  • How a former Guantánamo detainee deals with the experience of torture

13.45 – 14.30

Klaus Jünschke (in Deutsch und in Präsenz):

  • Die Zelle als Lehrerin für sozialwissenschaftliche Forschung
  • The cell as teacher for social science research

14.30 – 14.45 

Kaffeepause/Coffee break

14.45 – 15.45

Panel Discussion: (How) can Convict Criminology be possibly in Germany?

Contributions by Jeffrey Ian Ross (online), Johannes Feest (online), Klaus Jünschke (present), Julian Knop (present)

  • Moderated by Christine Graebsch (present)
  • Summary translations by Sven Burkhardt (present)

15.45 – 16.00

Concluding remarks

 

Weitergehende Informationen / Further informations

Kriminologischen Debatten fehlt oft die Perspektive derjenigen Expert:innen, die das strafrechtliche Sanktionensystem und Haft persönlich erfahren haben. In den letzten 25 Jahren ist daher mit Schwerpunkt in Nordamerika eine „Convict Criminology“ entstanden, die diese Erfahrungen – und Personen, die sie gemacht haben – gezielt in die wissenschaftliche Kriminologie einbezieht. Als „Convict Criminologist“ können dabei in einer engeren Definition Wissenschaftler:innen gelten, die eigene strafrechtliche Verurteilung und in der Regel Hafterfahrung aufweisen und in einem kriminologisch relevanten Fach zumindest promoviert, bestenfalls im universitären Kontext beruflich tätig sind.

Im deutschsprachigen Raum sind bislang keine „Convict Criminologists“ in diesem engeren Sinne bekannt geworden. Auf dem Fachtag wollen wir uns mit der Frage befassen, weshalb dies der Fall ist sowie ob und auf welche Weise es sich ändern ließe.

Einleitend zu diesem Thema wird Jeffrey Ian Ross, einer der Mitbegründer der ‚Convict Criminology‘, in das Thema einführen, indem er die Intention, Entwicklung und Bedeutung von Convict Criminology in Nordamerika, aber auch ihre darüberhinausgehende Verbreitung in anderen (europäischen) Ländern darstellt.

 

Projektvorstellungen / Project presentations

Wir stellen im Laufe des Fachtags Projekte und Personen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die zumindest dem Ziel der Convict Criminology verbunden sind, die Erfahrungen von Verurteilten und (Ex-)Gefangenen stärker in der wissenschaftlichen Debatte zu berücksichtigen:

  • Das Strafvollzugsarchiv an der Fachhochschule Dortmund: Kostenlose Rechtsberatung für Gefangene und Forschung über die (Rechts-)Wirklichkeit von Gefängnissen auf Grundlage dieser Korrespondenz.
  • #BigDreams: Diverses Kollektiv von Künstler:innen, Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen, das sich seit zweieinhalb Jahren mit Brians Fall auseinandersetzt. Brian selber ist Mitglied des Kollektivs, welches künstlerische und diskursive Formate wie Performances, Ausstellungen und Podien organisiert. Mit künstlerischen Mitteln wird versucht, eine neue Perspektive auf Brians Fall einzunehmen. In zahlreichen transdisziplinären Kollaborationen werden vor allem die Themen struktureller Rassismus, Justizvollzug und Resozialisierung, Menschenrechte und medienöknonomische Prozesse verhandelt.
  • Uni im Vollzug: Gemeinsames Studieren von Gefangenen und Studierenden der Rechtswissenschaft mit dem Ziel das Studium als Perspektive für Gefangene zu öffnen und externen Studierenden Einblicke in die Erfahrung des Vollzugs durch die Gefangenen zu verschaffen.
  • Klaus Jünschke: Sozialwissenschaftler und ehemaliger Gefangener, der heute als Sachbuchautor im Bereich Kriminologie tätig ist.

Vortragende und an der Podiumsdiskussion beteiligte Personen / Speakers and persons involved in the panel discussion

Christine Graebsch , Juristin und Kriminologin, Professorin am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund und Leiterin des dortigen Strafvollzugsarchivs . Publikationen über Recht und Wirklichkeit von Gefängnissen, Krimmigration, Desistance und Evidence-based Crime Prevention. Lehre über Strafvollzug auch an den Universitäten Hamburg (Master Kriminologie) und Bremen (Rechtswissenschaft, Rechtsberatung für Gefangene als Legal Clinic).

Sven Burkhardt , Rechtsanwalt und Vertretungsprofessor am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund und Mitglied des dortigen Strafvollzugsarchivs. Anwaltstätigkeit mit Schwerpunkt in der Maßregel- und Strafvollstreckung sowie im Strafvollzugsrecht. Publikationen im Bereich Strafvollzugsrecht und Völkerstrafrecht.

http://www.bremer-recht.de/publikationen.html 

Johannes Feest , Jurist und Sozialwissenschaftler, Professor für Recht des Strafvollzugs im Ruhestand, Begründer des Strafvollzugsarchivs an der Universität Bremen. Mitbegründer der ersten (und für mehr als 40 Jahre einzigen) Legal Clinic für Gefangene in Deutschland. Von 1995-1997 wissenschaftlicher Direktor des Internationalen Instituts für Rechtssoziologie in Oñati, Spanien. Publikationen über Recht und Rechtswirklichkeit des Strafvollzugs, Abolitionismus, Rechtskulturen, Polizeiforschung.

Jeffrey Ian Ross , Professor an der Universität von Baltimore, USA, im Bereich Strafrechtspflege und öffentliche Angelegenheiten, Forscher am Center für internationales Recht und Rechtsvergleichung und dem Schaefer Center for Public Policy. Er war Gastprofessor an der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Padua. Während der 1980er-Jahre arbeitete er für mehr als vier Jahre in einer Haftanstalt. Publikationen über Strafvollzug, Street Culture, Polizeiarbeit, politische Kriminalität, Staatskriminalität und Kriminalität der Mächtigen sowie das Strafjustizsystem bei indigenen Amerikaner:innen. Er ist Mitbegründer der Convict Criminology und Mitherausgeber und Autor zentraler Werke zu diesem Thema, u.a. „Convict Criminology“ (gemeinsam mit Stephen C. Richards, Wadsworth Publishing 2003) und „Convict Criminology for the Future“ (gemeinsam mit Francesca Vianello, Routledge 2021).

Mohamedou Oud Slahi: Geboren in Mauretanien; Studium der Elektrotechnik an der Universität Duisburg-Essen; ab 2002 ohne Anklage in Guantánamo Bay inhaftiert und erst 2016 entlassen; weil sich keine Tathinweise betreffend die behauptete Beteiligung an den Anschlägen vom 11.September 2001 fanden. Anschließend öffentliche Auseinandersetzung mit dieser Erfahrung, Veröffentlichung des „Guantánamo Diary“ (2015), das ein internationaler Bestseller wurde; Film „Der Mauretanier“ von Kevin Macdonald. Er setzte sich speziell mit der Frage auseinander, wir es dazu kommen konnte, dass er in Guantánamo gefoltert wurde und wie sich Folter auf die Gefolterten, aber vor allem auch auf die Folter, auswirkt und wie damit umgegangen werden kann. Dazu Podcast des NDR in 12 Folgen „Slahi – 14 Jahre Guantanamo “.

Klaus Jünschke , Sozialwissenschaftler, ehemaliges Mitglied der Rote Armee Fraktion, 1977 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und 1988 begnadigt, heute Sachbuchautor mit Publikationen im Bereich Kriminologie und Strafvollzug. Das Buch von Klaus Jünschke, Jörg Hauenstein und Christiane Ensslin „Pop-Shop: Gespräche mit Jugendlichen in Haft“. konkret-Literatur-Verlag Hamburg 2007 entstand auf Grundlage einer Gesprächsgruppe im Jugendstrafvollzug. Dreijährige Mitarbeit an einem Forschungsprojekt der Uni Köln zur Überrepräsentation von Jugendlichen ohne deutschen Pass in den Gefängnissen. Derzeit Erzählwerkstatt mit Gefangenen  ohne festen Wohnsitz.

Julian Knop: Kriminologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter der gemeinnützigen Organisation Tatort Zukunft. Publikation über Recht und Rechtswirklichkeit des Strafvollzugs, Jugendstrafrecht und Desistance.