Lehre
praxis- und projektorientiert
Das Strafvollzugsarchiv widmete sich von Anfang an praxisorientierten Lehr- und Unterrichtsprojekten. Die engste Verbindung besteht zur Rechtsklinik der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bremen. Sie bietet Gefangenen in Gefängnissen für Männer, Frauen, Jugendliche, in Untersuchungshaft, in einer forensisch-psychiatrischen Anstalt und in Abschiebungshaft, Rechtsberatung durch Studierende und Anwält*innen an. Das Strafvollzugsarchiv ist die älteste Law Clinic in Deutschland, die in den 1970er Jahren von Johannes Feest und anderen gegründet wurde. Die mit der Legal Clinic verbundenen Vorlesungen an der Universität Bremen werden von Christine Graebsch, Christina Lederer und Johannes Feest gehalten. Anstatt sich an einer Rechtsberatung in Bremer Einrichtungen zu beteiligen, können sich die Studierenden auch dazu entschließen, dem Strafvollzugsarchiv beizutreten, um Antworten auf Briefe von Gefangenen zu verfassen, die um Rechtsberatung ersuchen.
Legal Clinic an der Universität Bremen
Besonders enge Verbindungen bestanden und bestehen zum Verein für Rechtshilfe im Justizvollzug des Landes Bremen e.V. In Kooperation dieses Vereins mit der Universität Bremen, Fachbereich Rechtswissenschaft, wird in den Bremer Haftanstalten (Männerstrafvollzug, Frauenstrafvollzug, Untersuchungshaft, Jugendvollzug, Forensische Psychiatrie, Abschiebungshaft) Rechtsberatung angeboten. Die Beratung wird von heutigen Studierenden in Kooperation mit Rechtsanwält*innen und anderen Jurist*innen durchgeführt. Die Beratung ist 1977 aus einem universitären Projekt der einphasigen Jurist*innenausbildung an der Universität Bremen hervorgegangen. Es handelt sich dabei um die erste und älteste Legal Clinic in Deutschland. Sie war auch schon unter Geltung des Rechtsberatungsgesetzes aktiv.
Die zugehörige Lehrveranstaltung an der Universität Bremen wird von Christina Lederer, Christine Graebsch und Johannes Feest durchgeführt.
Sie besteht zunächst in einem jährlich stattfindenden Kurs. Der Kurs führt in grundlegende praxisrelevante Themen der Rechtsberatung ein. Über die Beteiligung an der Beratung und in der Lehrveranstaltung können Studierende den Nachweis einer Schlüsselqualifikation im Rahmen des Jurastudiums erbringen. Optional kann sich im Folgesemester die Teilnahme an einem Seminar anschließen, in dem vornehmlich außerjuristische Inhalte diskutiert werden, die mit dem Thema Gefängnis verbunden sind (Kriminologie, Rechtssoziologie, Rechtsphilosophie etc.). Die Studierenden können hier über die Anfertigung von Seminararbeiten und Präsentationen einen Leistungsnachweis in den Grundlagen des Rechts oder für den strafrechtlichen Schwerpunkt erwerben.
Die Kooperation mit dem Strafvollzugsarchiv besteht unter anderem darin, dass Studierende sich neben der Beratung in den Haftanstalten auch an der schriftlichen Beratung beteiligen können.
Übersicht zur Lehre in der Legal Clinic Bremen >
Publikationen zur Legal Clinic an der Universität Bremen:
- Graebsch, Christine (2015): Rechtsberatung für Gefangene im Jugendvollzug.
In: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe (ZJJ), Heft 4, 2015, S. 363-368. - Graebsch, Christine (2013): Rechtsberatung für Gefangene als Legal Clinic – Vorstellung eines seit über 30 Jahren existierenden Praxisprojekts an der Universität Bremen.
In: studere – Rechtszeitschrift der Universität Potsdam Heft 11 2013, S. 64-69. - Graebsch, Christine (2011): Rechtsberatung für Gefangene in Bremen: Clinical Legal Education seit mehr als 30 Jahren.
In: Praktische Jurisprudenz, Hrsg.: Stefan Barton/ Susanne Hähnchen/ Fritz Jost, Hamburg 2011. - Graebsch, Christine/Schäfer, Manuela/Bruns, Martina (2005): Der Verein für Rechtshilfe: Kostenlose Gefangenenberatung und praxisbezogene Juristenausbildung.
In: Korrespondenzen in Sachen Strafvollzug, Rechtskulturen, Kriminalpolitik, Menschenrechte. Ein Lese-Theater als Feestschrift, Hrsg.: Sven-U. Burkhardt/Christine Graebsch/Helmut Pollähne, Münster, S. 265-275.
Neben dieser direkten Verbindung mit der Lehre an der Universität Bremen bestehen weitere indirektere Verbindungen zur Lehre an weiteren Hochschulen. Dort stellt der aus den Briefwechseln des Strafvollzugsarchivs sowie dessen Forschung gewonnene Erkenntnisgewinn einen zentralen Gegenstand der Lehre dar.
Weiterbildungsmasterstudiengang
kriminologie an der Universität Hamburg
Im Rahmen dieses Masters lehrte bis 2011 Johannes Feest und lehrt seit 2012 Christine Graebsch das Modul Kontrollpolitik II: Strafjustiz/-vollzug. Die Studierenden des Weiterbildungsmasters kommen selbst aus kriminologienaher Berufspraxis. Dank des Einblicks in die Rechtswirklichkeit des Straf- und Maßregelvollzugs, die das Strafvollzugsarchiv bietet, umfasst auch die Lehre praxisbezogene Elemente.
Bachelorstudiengänge Soziale Arbeit
an der Fachhochschule Dortmund
An der Fachhochschule Dortmund dienen die Erkenntnisse aus Forschung und Beratung des Strafvollzugsarchivs als Grundlage für Lehrveranstaltungen im Bereich Straffälligenhilfe. Dies gilt insbesondere für das Vertiefungsmodul K 11 „Straffälligenhilfe – Soziale Arbeit mit Gefangenen, Haftentlassenen und von Haft Bedrohten“, das von Christine Graebsch gemeinsam mit Peter Kirchhoff angeboten wird. In dessen Rahmen führen Studierende ein eigenes Praxisprojekt durch. Sie bieten in einer der kooperierenden Haftanstalten Einzelgespräche oder Gruppenarbeit mit Gefangenen oder mit Haftentlassenen in Kooperation mit einem Träger der freien Straffälligenhilfe an. Die Lehre in Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Studierenden in ihrem Projekt wird mit Erkenntnissen aus dem Strafvollzugsarchiv rückgekoppelt. Daneben finden o.g. Erkenntnisse auch Eingang in die Veranstaltungen im regulären Bachelor-Studium im Bereich Strafrecht/ Kriminologie, welche im Wesentlichen von Sven-U. Burkhardt ahttps://strafvollzugsarchiv.de/personen/sven-burkhardtngeboten werden.
An der Fachhochschule Dortmund existiert inzwischen ebenfalls eine Legal Clinic im dualen Bachelorstudiengang Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt „Armut und (Flüchtlings-)Migration“. Zwar ist die Legal Clinic nicht auf Strafvollzug ausgerichtet, sondern auf Migrationsrecht. Ihr diente jedoch die Bremer Legal Clinic als Vorbild mit thematischer Überschneidung auf dem Feld der Abschiebungshaft. Die Beratung erfolgt in Kooperation mit dem Verein Legal Clinic Dortmund e.V. Sie ist curricular in mehrere Module des Studiums eingebunden.
Studierende, die einen Schwerpunkt bei der Arbeit in der migrationsrechtlichen Legal Clinic legen, können dafür am Ende des Studiums ein Zertifikat erhalten.
Unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes von 2008 sind eine Vielzahl an Legal Clinics in Deutschland entstanden, insbesondere auch Refugee Law Clinics. Die Legal Clinic an der FH Dortmund dürfte jedoch die einzige sein, bei der die studentische Rechtsberatung in das Studium der Sozialen Arbeit eingebettet ist.
Link zu PDF Broschüre Legal Clinic