In der Korrespondenz mit Inhaftierten kommt es immer mal wieder dazu,
dass von Haftanstalten oder Gerichten Briefe angehalten, sprich nicht
weiter geleitet werden. Ein Gastbeitrag von Thomas Meyer-Falk
Im folgenden soll es um dieses Thema im Kontext
der Untersuchungshaft gehen.
Der Brief vom 25.Mai 2020 und dessen Beschlagnahme
Mit Schreiben vom 25.05.2020 hatte Herr K., er sitzt zur Zeit in
Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft, weil er zuvor in der
Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Freiburg an einem Übergriff auf
einen anderen Insassen beteiligt gewesen sein soll, mir geschrieben.
Durch Beschluss vom 16.06.2020 wurde der Brief vom Ermittlungsrichter
des AG Freiburg (Az. 32 Gs 1356/20) beschlagnahmt. Unter anderem äußere
sich Herr K. zum Verfahren selbst und zudem beleidige er darin einen
Insassen der Sicherungsverwahrung mit den Worten, bei diesem handele es
sich um einen „geisteskranken Intriganten“, weshalb eine Weiterleitung
an mich ausscheide.
Die Beschwerde
Hiergegen legte ich als Briefempfänger Beschwerde ein. Ich stellte in
Abrede, dass es sich um eine strafbare Beleidigung handele und legte
dar, es sei unverhältnismäßig mir zumindest keine Kopie des Briefes
weitergeleitet zu haben.
Der Ermittlungsrichter entschied mit Beschluss vom 23.07.2020, dass er
der Beschwerde nicht abhelfe und zog schon in Zweifel, ob ich überhaupt
berechtigt sei Beschwerde gegen seine Entscheidung zu erheben.
Jedenfalls legte er pflichtgemäß die Akte dem Landgericht vor.
Die Entscheidung des Landgerichts Freiburg
Am 03.09.2020 entschied die 1.Große Strafkammer unter Beteiligung dreier
Richterinnen und Richter, dass ich auch als Briefempfänger berechtigt
sei Beschwerde zu erheben und bezog sich dabei auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes. Um dann abschließend festzustellen, dass mir
eine Ablichtung des Briefes zuzuleiten sei, da nur dies dem Gebot der
Verhältnismäßigkeit entspräche. Zu der angeblichen Beleidigung die der
Brief enthalten sollte, merkte das Gericht unter Verweis auf
einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, angesichts
des „Nähe- und Vertrauensverhältnisses“ unter langjährigen
Gefängnisinsassen, dürfte es zweifelhaft sein, ob überhaupt eine
strafbare Beleidigung vorliege (Az. 1 Qs 1/20).
Bewertung
Der Zeitfaktor springt ins Auge, es wird ein Brief geschrieben, nach
Wochen beschlagnahmt und daran schließt sich ein längerer Rechtsstreit
an. Die Möglichkeiten der Kommunikation sind in einem Gefängnis schon
situationsbedingt eingeschränkt; durch das sich anschließende Procedere
der Überwachung ist eine halbwegs zeitnahe Verständigung unmöglich. Für
Menschen in Untersuchungshaft ist dies belastend und einschneidend.
In besonderem Maße ärgerlich ist, wenn einem Ermittlungsrichter nicht
einmal die Basics bekannt zu sein scheinen, einerseits was die
Rechtsprechung zur Beschlagnahme von Briefen angeht, andererseits was
die Beschwerdeberechtigung betrifft. Wir haben es nämlich nicht etwa mit
einem rechtlich umstrittenen Gebiet zu tun, sondern einer seit
Jahrzehnten geltenden Rechtsprechung.
Der Fall zeigt aber auch auf, dass sich Menschen die von einem
inhaftierten Menschen angeschrieben werden und davon erfahren, dass der
Brief angehalten wurde, nicht scheuen sollten, selbst aktiv zu werden.
Die vorliegend für den Bereich der Untersuchungshaft beschriebene
Rechtslage gilt auch für sämtliche anderen Formen der
Freiheitsentziehung, sei es in Strafhaft, der Sicherungsverwahrung oder
Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
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