Rundschreiben an die Justizministerinnen und Justizminister der Länder

Zur Kenntnis an: Bundesgesundheitsminister, Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Länder und RKI

 

Sehr geehrter Justizministerinnen und Justizminister der Länder,

am 09.03.2020 wurden im Iran ca. 70.000 Inhaftierte aus den Haftanstalten entlassen, um der Corona-Krise angemessener begegnen zu können. In Deutschland breitet sich das Virus weiter aus und es stellt sich die Frage nach einem verbesserten Umgang auch in den Justizvollzugsanstalten der Bundesrepublik. Hier sind Menschen untergebracht, die wesentlich häufiger von schweren Vorerkrankungen betroffen sind, als in der Gesamtbevölkerung. Wie Sie wissen, leidet der Justizvollzug schon seit längerer Zeit an einem Ärztemangel, freie Stellen können aufgrund fehlender geeigneter Bewerber_innen nicht nachbesetzt werden. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen auf engem Raum untergebracht sind und die baulichen Gegebenheiten oftmals eine gute Zufuhr frischer Luft erschweren. Dies sind alles Faktoren, die eine Ausbreitung dieses Virus begünstigen.

Um Inhaftierte, Bedienstete und damit auch die Gesamtbevölkerung zu schützen, fordern die unterzeichnenden Organisationen und Verbände die Aussetzung der Ersatzfreiheits- und Kurzzeitstrafen. Insbesondere unter denen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, befinden sich viele Menschen mit einer Suchterkrankung, die auch unter chronischen Atemwegserkrankungen leiden. Die ersatzweise Verbüßung einer Geldstrafe erscheint uns insbesondere in diesen Zeiten als unverhältnismäßig und zu risikobehaftet.

Jetzt besteht noch die Möglichkeit vorausschauend zu handeln. Mit der Entlassung oder der Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe wären 10% und mit der Entlassung oder Aussetzung der Kurzzeitstrafen (bis einschl. 9 Monate) weitere 34% weniger Gefangene in den Haftanstalten

untergebracht. Weitere Maßnahmen, wie eine großzügigere Handhabung der Entlassung zur Halbstrafe u.a. sind zu prüfen. Mit einem solchen Schritt werden die zu Entlassenen und auch die weiterhin Inhaftierten und Beschäftigten besser geschützt. Zudem würden die medizinischen Dienste eine notwendige Entlastung erleben.

Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Knorr
Fachliche Leitung Strafvollzug
Im Auftrag der Organisationen und Verbände

 

Das Rundschreiben im PDF Format finden Sie in untem stehenden Link:

Rundschreiben Justizministerinnen